Äpfel abseits des Supermarktregals
Die im Supermarkt angebotenen Apfelsorten gehen großteils auf einige wenige Sorten zurück. Sie zeichnen sich durch gute Transportfähigkeit und Haltbarkeit aus, der Geschmack ist jedoch uniform.
Die geschmackliche Qualität von Früchten wird subjektiv unterschiedlich beurteilt, weil die Geschmäcker bekanntlich verschieden sind. Auch die Umstände des Konsumierens und die persönliche Befindlichkeit sind von wesentlichem Einfluss. Wie gut, dass bei unserer wichtigsten Obstart, dem Apfel, so viele verschiedene Sorten zur Wahl stehen. Die meist verbreitete Varietät ist der ‘Golden Delicious’. Manche erinnern sich an die geschmackliche Begeisterung, als diese Sorte in den 1960er Jahren Eingang in den europäischen Obstbau fand.
‘Golden Delicious’
Tatsächlich ist der ‘Golden’ jedoch viel älter. Er entstand um 1890 zufällig aus einem Samen im hügeligen Grasland einer Kuhweide in West Virgina, USA, und wurde ab 1917 als Sorte verbreitet. Die Einführung dieser einen Sorte hatte in der Folge Auswirkungen auf den Erwerbsobstbau, wie kaum ein anderer Faktor. Der Anbau nahm zu und das Handelsangebot vergrößerte sich wie bei keiner anderen Sorte. Bei der Bedeutung, die ‘Golden’ erlangte, konnte es nicht ausbleiben, dass diese Sorte auch züchterische Beachtung erlangte und verschiedene Mutationen ausgelesen wurden. An zahlreichen Stellen wurde zudem begonnen, den ‘Golden’ als Kreuzungspartner zu verwenden. An vielen heutigen Handelssorten ist ‘Golden Delicious’ als Elternteil beteiligt:
‘Gala’
Eine Kreuzung aus ‘Kidds Orange’ x ‘Golden Delicious’ wurde in Neuseeland gezüchtet, ist seit 1960 in Vermehrung und hat weltweit große Anbauflächen erreicht. Dazu kommen laufend Mutationen, die unter verschiedenen Handelsnamen angeboten werden.
‘Jonagold’
ist eine Kreuzung aus ‘Golden Delicious’ x ‘Jonathan’. Sie wurde 1968 in Verkehr gebracht. Ursprünglich mit wenig Deckfarbe erlangte ‘Jonagold’ mit einer großen Zahl von Mutanten mit intensiverer Färbung starke Verbreitung.
‘Elstar’
Bei dieser Sorte handelt es sich um eine Kreuzung aus ‘Golden Delicious’ x ‘Ingrid Marie’. Sie stammt aus den Niederlanden und wurde 1972 in Verkehr gebracht. Inzwischen ist sie innerhalb kurzer Zeit zu einer europäischen Hauptsorte aufgestiegen. Der Geschmack der Früchte dürfte mit ein Grund dafür sein. ‘Elstar’ neigt ebenfalls zur Mutation. Die Zahl der anbauwürdigen Mutanten ist seit der Markteinführung auch bei dieser Sorte stark angestiegen.
Alternativen zum Handelsobst
Die Golden-Familie dominiert heute das Apfelangebot des Handels. Ein voll entwickelter, frischer und knackiger Apfel dieser Gruppe ist nach wie vor etwas Besonderes. Jedoch immer wieder die gleiche Geschmacksrichtung wird auf Dauer auch langweilig. Manche erinnern sich an das vielfältige Sortenangebot des Marktobstbaues in den 1950er Jahren, und in Gärten von Sortenliebhabern finden sich heute noch vereinzelt diese Sorten.
Als geschmacklich bester Apfel wurde damals oft die Sorte ‘Cox Orange’ genannt. Sie erzielte höchste Preise. Von den neueren Sorten kommt die 1982 veröffentlichte, unter dem Handelsnamen ‘Rubinette’ angebotene Sorte dem Geschmack von ‘Cox’ nahe. Sie entstammt einem Sämling von ‘Golden Delicious’, als Befruchtersorte wird ‘Cox Orange’ angenommen.
Apfelsorten für den Hausgarten
In den Gärten war der mit ‘Cox’ verwandte ‘James Grieve’ beliebt. Diese Sorte reift Ende August folgeartig durch zwei bis drei Wochen, was im Garten kein Nachteil ist, ebenso wie ihre Druckempfindlichkeit, die im Handel jedoch zu ihrem Verschwinden geführt hat. Fallweise werden auf lokalen Märkten noch die Sorten ‘Kronprinz Rudolf’ wie auch ‘Maschanzker’ angeboten. Selten geworden sind jedoch ‘Goldparmäne’ und der von Kennern geschätzte ‘Berlepsch’ mit seinem knackig saftigen süß säuerlichen Fruchtfleisch mit typisch feinwürzigem Aroma oder ‘Ananasrenette’ wie auch der ‘Rote Boskoop’ und die ‘Kanada Renette’. Dieser hochwertige Apfel wird für exzellente Gerichte oft bevorzugt. Die ‘Kanada Renette’ wurde bereits 1771 in Frankreich beschrieben. Besondere Raritäten sind ‘Weißer Winter-Calvill’ und ‘Peasgood’. Spezielle Aufmerksamkeit erhielt ‘Peasgood’ durch Preise bei Ausstellungen und extrem große Äpfel mit einem Gewicht von 800 Gramm. Einer davon wurde sogar der britischen Königin Victoria präsentiert.
Eine geschmackliche Besonderheit ist die Sorte ‘McIntosh’ und die mit ‘McIntosh’ verwandte Sorte ‘Empire’.
Bäume nach Maßanfertigung
Im Handel sind Früchte aller dieser Sorten kaum erhältlich. In Genbanken werden sie und noch viele andere erfreulicherweie erhalten. Ausgehend von diesem Material bieten einzelne Baumschulen Pflanzen als Maßanfertigung an. Diese auf Wunsch anzufertigenden Bäume können auf verschiedene Veredlungsunterlagen aufveredelt werden. Dadurch ist es möglich, von nahezu allen Sorten kleine Bäume für Kübelpflanzung heranzuziehen, Spindelbäume mit Baumhöhen von etwa 2,5 m, Spaliere, Buschbäume oder stattliche, schattenspendende Hochstämme.
StR. Ing. Rudolf Novak
’Golden Delicious’ und seine Kinder
Der Zufallssämling ‘Golden Delicious’ ist genetisch an zahlreichen
Handelssorten beteiligt.
‘Jonagold’ und einer seiner intensiv gefärbten Mutanten ‘Novajo’
‘Gala’ ist eine weltweit im Erwerbsobstbau häufig angepflanzte Sorte
Geschmacklich erinnert die als ‘Rubinette’ angebotene Sorte an ‘Cox Orange’
‘Elstar’ wurde im europäischen Obstbau oft gepflanzt
Interessante Apfelsorten für den Hausgarten
Der ab Ende August folgeartig reifende ‘James Grieve’ war in den
1950er Jahren eine verbreitete Marktsorte. Wegen seiner Druck-
empfindlichkeit verschwand er aus dem Handel.
Im Hausgarten ist er ein qualitätsvoller, saftiger Sommerapfel.
‘Kronprinz Rudolf’ ist eine alte Gebietssorte, die in der Steiermark
benannt wurde. Die eher kleineren, glatten Winteräpfel sind gelegentlich
im Handel zu finden. Besondere Qualitätsmerkmale sind nicht zu
große Äpfel mit roter Deckfarbe.
Der ‘Steirischer Maschanzker’ zählt zu den ältesten, heute noch
angebauten Sorten. Dieser harte Apfel ist lange haltbar. Als verarbeitete
Frucht entwickelt er ein besonderes Aroma. Er eignet sich v. a. für
größere Baumformen und kommt erst spät in den Ertrag.
Bei der ‘Wintergoldparmäne’ handelt es sich ebenfalls um eine sehr
alte Sorte. Vermutlich entstand sie als Zufallssämling in England oder
Frankreich. Im 19. und beginnenden 20. Jh. war sie unter der
Bezeichnung Goldrenette äußerst beliebt.
Die Sorte ‘Freiherr von Berlepsch’ ist mit ihrem saftig süß-säuerlichem
Geschmack und mit an edlen Weißwein erinnerndem Aroma ein
hervorragend schmeckender Tafelapfel.
Die kleinfruchtige, von Kennern geschätzte säuerliche Winterapfel-Sorte
‘Ananasrenette’ ist ein vermutlich in Holland entstandender Zufallssämling.
Der für kleine Baumformen geeignete Wuchs sowie die geringe Anfälligkeit
für Schorf machen die Sorte für den Liebhaberanbau interessant.
Bei der von Liebhabern saurer Äpfel besonders geschätzten nieder-
ländischen Sorte ‘Schöner aus Boskoop’ wurde eine besonders gerötete
Sprossmutation gefunden und ab etwa 1938 als ‘Roter Boskoop’ verbreitet.
Graue Renetten haben eine berostete Schale und werden deswegen noch
heute oft entsprechend ihrer früheren Familieneinteilung als Lederäpfel
bezeichnet. Beliebt sind die Lederäpfel, wie auch die Sorte ‘Kanada Renette’
vor allem in der Küche für verschiedenste Gerichte.
Die großen Früchte der alten Sorte ‘Weißer Winter-Calvill’ werden wegen
ihres ausgezeichneten Geschmacks auch heute noch sehr geschätzt. Sie
entwickeln deutlich die für die Calville-Gruppe typische Rippung in der
Kelchpartie. Einst galt diese anspruchsvolle Sorte wegen ihres eleganten
dezenten Apfelgeschmacks als König der Äpfel.
‘Peasgood Sondergleichen’ zählt zu den Sorten mit den größten Früchten,
sie erreichen oft sensationelle Ausmaße, sind jedoch wenig haltbar.
Der in Kanada 1796 gefundene Zufallssämling ‘McIntosh’ ist gut frosthart.
Die Früchte können direkt vom Baum gegessen oder auch gelagert werden
und haben einen besonderen, hocharomatischen Geschmack.
Aus einer Kreuzung ‘McIntosh’ und ‘Red Delicious’ ging die Sorte ‘Empire’
hervor, die schön gefärbt ist und v. a. in den USA einen hohen Stellenwert besitzt.
‘Cox Orange’ galt vielfach als bester Apfel überhaupt und entstammt einem
Sämling, wahrscheinlich von ‘Ribston Pepping’. Sein Fruchtfleisch ist fest
und von sehr edlem Geschmack. Der Baum stellt hohe Ansprüche.
Einer der vielen Mutanten von ‘Cox Orange’ ist ‘Cox Orange, Cherry’.
Die Sorte färbt intensiv flächig rot.
©Sortenbilder: ÖGG/EK